Freitag, 25. April 2008

Dossier: Finanz- und Wirtschaftssystem: Was ist eigentlich Geld?

Droge Geld
Wo kommt Geld her? Wer druckt es eigentlich? Hat es überhaupt noch einen realen Gegenwert? Wieso behandeln wir es in unserer Sprache als Subjekt, wenn wir sagen „Geld re­giert die Welt“?
Nun, diese Fragen sind wahrscheinlich nicht so leicht zu beantworten, wie es zunächst an­mutet, doch scheinen die kognitiven Neurowissenschaften sich vermehrt mit dem was Geld mit uns tut, ausei­nander zu setzen.
So forscht der Psychologe Richard Peterson, u. a. tätig an der Stanford University, seit ein paar Jahren an der Interaktion von Geld und dem menschlichen Gehirn. Die ersten Er­kenntnisse sind für die Verfechter des homo oeconomicus, also der Idee, dass der Mensch immer ökonomisch und rational bezüglich Geld handle, vernichtend: Nach Peterson hat Geld die gleiche Auswirkung auf unser Ge­hirn wie Kokain und Sex. Zumindest Kokain ist weitestgehend verboten, Geld jedoch die vermeintliche Essenz unserer Existenz. Die Erkenntnisse aus einem Experiment decken sich mit den Vermutungen der Psychologie seit vielen Jahren, doch wurden diese Theorien bis dato von Ökonomen ver­worfen, bis Peterson die ersten empi­rischen Ergebnisse vorlegen konnte. Diese deuten sogar daraufhin, dass der menschliche Verstand aussetzt wenn es um Geld geht.
„Selbst wenn wir uns fest vorneh­men, uns von der Vernunft leiten zu lassen, können wir unsere Gefühle nicht ausknipsen.“
Und diese scheinen, in Form von Angst und Glück, unseren Umgang mit Geld zu dominieren.
Ist das eine Überraschung? Nein, denn Geld ist Macht. Seine Quantität repräsentiert nicht nur unseren sozia­len Status, sondern misst vermeintlich auch den Grad unserer Freiheit. Natür­lich ist Geld nicht nur Kupfer, Papier oder Plastik; Geld ist mittlerweile ein Subjekt, mit Bewunderern und Nei­dern, mit Verächtern und Nutznießern. Deswegen können wir nicht rational mit ihm umgehen. Dafür eröffnet uns Geld zu viele Möglichkeiten in dieser Welt.
Richard Peterson führt seine Studien weiter und hofft in Zukunft weiterhin empirisch belegen zu können, dass eine neoliberale Politik, wie sie nur funktionieren kann, wenn der Mensch nun mal vernünftig mit Geld und seiner damit verbundenen Zukunft umgeht, entgegen des menschlichen Wesens ist.
Die politische Erstkonsequenz ist klar: Ein starker Sozialstaat entspricht dem Menschen und seinen kogniti­ven Prozessen wesentlich mehr. Die zweite Konsequenz wäre das Ab­schaffen des Geldes, da es offenbar einen drogenähnlichen Einfluss auf uns ausübt. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg!

Don

Quelle: Die Zeit

Keine Kommentare: